Vor fast fünf Monaten haben die Damen des SV 64 Zweibrücken ihre letzte Niederlage in der Handball-Oberliga kassiert. Gegner damals war die HSG Hunsrück. Die kommt am Sonntag um 16 Uhr in die Ignaz-Roth-Halle. Mit einem Sieg lägen die SV-Frauen auf Kurs Richtung Vizemeisterschaft.
Die Damen vom SV 64 Zweibrücken spielen in der Handball-Oberliga eine fulminante Rückrunde, sind seit zwölf Spielen ungeschlagen (elf Siege) und empfangen am Sonntag um 16 Uhr die HSG Hunsrück zum Spitzenspiel. Der Merkur sprach mit Trainer Rüdiger Lydorf vor der Partie über die Entwicklung seiner jungen Mannschaft, schmerzhafte Abgänge nach der Saison – und was ihn an der Seitenlinie so richtig auf die Palme bringt.
Herr Lydorf, nach den ersten acht Saisonspielen standen für Ihre Mannschaft drei Niederlagen zu Buche. Seitdem ist der SV 64 ungeschlagen. elf von zwölf Spielen wurden gewonnen. Hat sich die Mannschaft weiterentwickelt?
Rüdiger Lydorf: Ja, eine Weiterentwicklung ist klar erkennbar. Wir haben eine ganz junge Mannschaft und mussten uns erst finden. Aber alle Spielerinnen, die vor der Runde aufgerückt sind, haben einen großen Schritt nach vorne gemacht.
Woran machen Sie das fest?
Lydorf: Wir spielen in engen Phasen abgeklärter. Eine Partie wie zuletzt gegen Moselweiss (26:26 Anm. d. Red.) hätten wir vor zwei Jahren noch verloren. Weil wir am Ende auf Biegen und Brechen hätten gewinnen wollen – und dabei fünf technische Fehler gemacht hätten. Jetzt wollen wir zwar immer noch gewinnen, spielen aber kontrollierter. Und mit jedem Sieg glauben die jungen Spielerinnen ein bisschen mehr an sich. Da spielen natürlich auch die gefestigten Größen in unserer Mannschaft eine Rolle, an denen sich die Jüngeren orientieren. Wir haben eine gute Mischung.
Wer sind die Führungsspielerinnen, die die Jüngeren anleiten?
Lydorf: Katharina Koch, die mit 37 Jahren die Älteste ist, Laura Witzgall und auch Lucie Krein. Vor allem die drei sind dafür verantwortlich, dass Spielerinnen, die neu dazu kommen, gut integriert werden. Nicht nur auf dem Spielfeld. Auch was die sozialen Abläufe innerhalb der Mannschaft angeht.
Gibt es eine Nachwuchsspielerin, die einen besonders großen Sprung gemacht hat?
Lydorf: Nein, von Kim Pfeifer, Annalena Frank und Pauline Hartfelder kann ich keine hervorheben. Alle drei haben in der Oberliga Fuß gefasst. Auch wenn in ihren Leistungen noch Schwankungen sind. Das ist völlig normal.
Ist der klare 27:21-Sieg gegen Tabellenführer HSG Marpingen/Alsweiler – dessen einzige Saisonniederlage – Ausdruck der Entwicklung?
Lydorf: Ja, das kann man sagen. Auch wenn wir schon bei der Hinspiel-Niederlage am ersten Spieltag gut waren. Solche Derbys in einer ausverkauften Halle zeigen uns auch, wie viele Zuschauer wir mittlerweile überzeugen konnten. Als wir vor zwei Jahren fast abgestiegen wären, haben sich zum Teil nicht einmal zehn Zuschauer zu uns verirrt. Über diese Entwicklung freuen wir uns ohne Ende.
Sollte die HSG Marpingen im Saisonendspurt nicht mehrfach patzen, ist Platz eins außer Reichweite? Ärgert es Sie, dass das Titelrennen durch die Punktverluste zu Beginn der Runde fast entschieden ist?
Lydorf: Niederlagen sind nie schön. Dass wir beim Letzten TV Engers verloren haben, passiert so aber nur einmal in der Saison. Da hatten wir einfach einen rabenschwarzen Tag. Die Niederlagen in der Hinrunde gegen Marpingen und Hunsrück haben mich mehr geärgert. Grundsätzlich bin ich aber sehr zufrieden. Wenn man mir erzählt hätte, dass wir sechs Spieltage vor Ende der Runde um die Vizemeisterschaft kämpfen und Platz drei fast sicher haben, hätte ich das unterschrieben. Dass wir so konstant spielen, wie wir es tun, war nicht zu erwarten.
Tabellenführer Marpingen hat im Saisonverlauf fast 60 Tore weniger kassiert als Zweibrücken. Haben die Saarländerinnen noch Vorteile, was die Defensivarbeit angeht?
Lydorf: Das würde ich so pauschal nicht sagen. Wir spielen eine offensive Abwehr, setzen auf Ballgewinne und schnelles Umschaltspiel, da sind ein paar Gegentore mehr normal. Wir gewinnen auch selten Spiele mit 15 Toren Vorsprung wie Marpingen es tut. Weil wir viel wechseln und allen Spielerinnen ihre Einsatzzeit geben. Und allein im Hinspiel gegen Engers haben wir ja 39 Tore kassiert. Im Rückspiel waren es etwas mehr als die Hälfte.
Neben dem Entwicklungssprung der jungen Spielerinnen – was ist die Grundlage der Erfolgsserie?
Lydorf: Wir haben in der Vorbereitung viel Wert auf Athletik gelegt. Das zahlt sich aus. Deshalb gab es einige enge Spiele, die wir erst in den letzten zehn, fünfzehn Minuten für uns entschieden haben. Nicht nur weil wir physisch fitter waren. Das ist auch eine mentale Sache. Wenn der Körper müde wird, lässt die Konzentration nach.
Wann stehen Sie als Trainer an der Seitenlinie und sind zufrieden?
Lydorf: Wenn eine Spielerin eine schlechte Phase überwindet. Kim Pfeifer hatte so eine – und ist fast verzweifelt. Und jetzt hat sie mehrere richtig starke Spiele hintereinander gemacht.
Wann sind Sie überzeugt davon, dass das Training mit der Mannschaft Früchte trägt?
Lydorf: Wenn taktische Anweisungen befolgt werden, auch wenn sie auf dem Feld nicht auf Anhieb funktionieren. Dann reden wir nach dem Spiel zusammen darüber, warum es nicht funktioniert hat und ob wir die Idee vielleicht anpassen müssen. Aber es spielt nicht einfach jede das, was ihr gerade durch den Kopf geht. Das hat auch etwas mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Mannschaft zu tun.
Und was bringt Sie auf die Palme?
Lydorf: Wenn bei der Vorbesprechung oder beim Videostudium nicht richtig zugehört wird. Die HSG Wittlich hat einen markanten Spielzug. Den habe ich mit unserem Co-Trainer Marc-Robin Eisel angesprochen. 50 Mal. Wenn Wittlich dann auf genau diese Weise mit der ersten Aktion des Spiels ein Tor erzielt, macht mich das wahnsinnig.
Wird es dann in der Kabine auch mal lauter?
Lydorf: In manchen Situationen lässt es sich nicht vermeiden, dass man lauter wird. Ich habe aber schon als Spieler die Trainer bevorzugt, die einen konstruktiven Ton angeschlagen haben. Wenn man rumschreit, klappt das vielleicht ein Mal. Danach wird die Gefahr immer größer, dass man eine Spielerin nicht mehr erreicht.
Am Sonntag steht das Spitzenspiel gegen den Tabellendritten HSG Hunsrück an. Brennt die Mannschaft auf die Revanche für die Hinspiel-Niederlage?
Lydorf: Die Mannschaft brennt vor allem darauf, ihre Heimserie zu verteidigen. Zu Hause sind wir seit anderthalb Jahren ungeschlagen. Und mit einem Sieg wären wir der Vizemeisterschaft einen großen Schritt näher.
Wie sieht es perspektivisch aus. Ist der Aufstieg in die dritte Liga ein Thema?
Lydorf: Darüber reden wir im Verein. Das müssen wir, weil wir theoretisch noch Erster werden können und es ja möglich ist, dass Marpingen an einem Aufstieg kein Interesse hat. Wir würden nicht Nein sagen, sind uns aber im Klaren darüber, dass das eine ziemliche Hausnummer wäre. Im Damen- und Herrenbereich hat sich selten eine Mannschaft aus der RPS-Oberliga längerfristig in Liga drei gehalten.
Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Aufstieg machbar?
Lydorf: Er muss sich mit unserem Konzept decken. Das Potenzial muss aus dem Verein selbst kommen. Wir werden nicht zig Spielerinnen von außerhalb holen, um auf Biegen und Brechen die dritte Liga zu stemmen. Das wäre unseren Nachwuchsspielerinnen auch gar nicht zu vermitteln. Außerdem müssen wir schauen, wie und ob wir überhaupt den Substanzverlust kompensieren können. Mit Katharina Koch und Laura Witzgall verlieren wir wichtige Spielerinnen, die nächste Saison in die zweite Mannschaft rücken.
Wie weh tut der Rückzug von Spielführerin Koch?
Lydorf: Sie hat in dieser Saison jetzt schon rund 120 Tore geworfen. Und sie ist auch von zentraler Bedeutung für die Deckung. Das tut uns schon richtig weh.
Das Gespräch führte Mirko Reuther