Der SV 64 Zweibrücken entscheidet das Stadtduell in der Handball-Oberliga gegen die VTZ Saarpfalz vor 1200 Zuschauern mit 24:23 (10:10) für sich.
Als die Spieler vom SV 64 Zweibrücken am Sonntagabend vor Glück schier zu platzen schienen und ihre Freude lautstark in die Westpfalzhalle brüllten, bot sich wenige Meter weiter das emotionale Kontrastprogramm. Leise, fast beschwörend, redete Danijel Grgic auf seine Mannschaft ein, die sich mit hängenden Köpfen im Halbkreis um den Trainer der VTZ Saarpfalz scharte.
Hauchdünn, mit 23:24 (10:10) hatte die VTZ zuvor das Zweibrücker Stadtderby in der Handball-Oberliga verloren. Während der SV 64 die Tabelle mit makelloser Bilanz anführt, hat die VTZ – der als Absteiger aus der 3. Liga zugetraut wurde, ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitzureden – nun fünf Verlustpunkte auf dem Konto. „Wenn wir hier chancenlos untergehen, könnte ich die Niederlage akzeptieren. Aber wir waren dran“, haderte VTZ-Kapitän Martin Mokris.
Besonders eine Szene fünf Minuten vor der Schluss-Sirene spukte Mokris noch im Kopf herum. Beim Stand von 20:21 aus Sicht der VTZ hatte Trainer Grgic die Torhüter-Position aufgelöst. Mit einem Feldspieler mehr auf der Platte kam Tomas Kraucevicius frei zum Abschluss. Von der Unterkante der Latte traf der Ball die Schulter von SV-Schlussmann Marko Ivankovic und schien über die Torlinie zu springen. Doch nicht nur fischte der kroatische Neuzugang das Leder geistesgegenwärtig aus der Luft. Er traf mit einem Wurf quer durch die ganze Halle auch in das verwaiste VTZ-Tor. Statt 21:21 hieß es 22:20 für den SV 64.
„In der Phase hätte jede Mannschaft das Spiel für sich entscheiden können“, sagte SV-Trainer Stefan Bullacher, der den Sieg seines Teams dennoch „100 Prozent verdient“ fand: „Eigentlich müssen wir mit vier oder fünf Toren Vorsprung in die Halbzeit gehen“, meinte er.
Der SV 64 hatte vor 1200 Zuschauern in der pickepackevollen Westpfalzhalle einen Start nach Maß erwischt. Rechtsaußen Philipp Hammann brachte seine Mannschaft mit 1:0 in Führung. Spielmacher Tim Schaller ließ zwei Tore vom Siebenmeterpunkt folgen. 3:0 für den SV 64 nach vier Minuten. Auch weil Schaller im Anschluss einen weiteren Siebenmeter verwarf, konnte die VTZ aufschließen (2:3/8.). Und dennoch: der SV dominierte die Anfangsphase, war vor allem im Angriff variabler – und sorgte für die spielerischen Höhepunkte. Kreisläufer Benjamin Zellmer wurde auf Linksaußen freigespielt, flog in den Torraum – legte den Ball dann aber auf die gegenüberliegende Seite ab. Hammann schnappte sich das Leder in der Luft und schloss per Kempa-Trick zum 5:3 für den SV ab (10.).
Doch im Anschluss begann der Offensivmotor der 64er zu Stottern. Auch weil die Abwehr der VTZ ihre Sache gut machte. Giftig, gallig, wechselnde Deckungsformationen – die Mannschaft von Grgic gestattete dem Gegner keine einfachen Tore mehr. Und die klaren Chancen, die die 64er hatten, wurden zuweilen leichtfertig vergeben. Die Konsequenz: Auf der einen Seite entschärfte VTZ-Torhüter Yannick Klöckner einen Distanzwurf von Christopher Huber kurios mit dem Kopf – und auf der anderen Seite traf Erik Zilincik zur ersten Führung der VTZ (7:6/20.). „Drei Tore Rückstand – das ist im Handball gar nichts. Wir wussten, dass wir das aufholen können“, sagte Mokris.
Tobias Alt brachte die 64er bei drohendem Zeitspiel von Linksaußen zwar wieder mit 10:8 in Führung. Doch Mokris und Kraucevicius konterten noch vor der Pause. Beim Stand von 10:10 wurden die Seiten gewechselt. „Im Stadtderby wird sich nichts geschenkt, gerade in der Abwehr. Es war ein hartes Spiel. Die VTZ hat es uns schwer gemacht“, sagte SV-Kreisläufer Zellmer.
In der zweiten Halbzeit schien es zunächst, als sollte das Pendel wieder zugunsten seiner Mannschaft ausschlagen. Die VTZ verpatzte vorne ein Anspiel an den Kreis – und hinten schepperte es nach einem krachenden Rückraumtreffer von Niklas Bayer: 16:13 für den SV (39.). Als Huber die 64er drei Minuten später mit einem feinen Heber erstmals mit vier Toren in Führung warf (18:14), schien die Mannschaft von Bullacher auf die Siegerstraße einzubiegen.
Doch weit gefehlt. Nachdem VTZ-Spieler Tom Paetow nur den Pfosten getroffen hatte, sprang Zilincik mit Wucht und Willen in den Torraum und verwertete den Abpraller zum Anschluss (16:18). Paetow selbst verkürzte auf 17:18. Und nachdem SV-Spieler Hammann nur den Pfosten zum Beben gebracht hatte, traf Jacob Brauns im Gegenstoß zum 18:18 (48.). Weil Brauns dabei vom 64er Kian Schwarzer behindert worden war, hagelte es sogar noch eine Zeitstrafe für den SV. Die Partie schien zu kippen. Auch weil Paetow – mit neun Toren erfolgreichster Schütze auf dem Feld – immer stärker auftrumpfte. „Wenn der aus neun Metern frei abschließen darf“, siehst du den Ball gar nicht“, meinte Bullacher anerkennend. Kraucevicius hätte die VTZ sogar in Führung bringen können, scheiterte aber an Ivankovic.
Nachdem der Schlussmann selbst die 64er nach seinem Fast-Eigentor wieder mit 22:20 in Führung geworfen hatte, hielt der SV den Vorsprung bis in die Schlussminute. Paetow brachte die VTZ mit einem ansatzlosen Gewaltwurf aus dem Stand zwar wieder in Schlagdistanz (22:23). Doch danach standen nur noch 20 Sekunden auf der Uhr der Anzeigetafel. Die VTZ ließ den SV nach dem Wiederanwurf gewähren, wollte einen (zu) frühen Wurf provozieren. Niklas Bayer tat der VTZ den Gefallen, schloss ab – und schraubte mit seinem Treffer zum 24:22 den Deckel auf die Partie. Brauns verkürzte mit der Schluss-Sirene auf 23:24. Doch dann versank die Westpfalzhalle in den Jubelschreien der 64er.
„1000 mal cooler als ein normaler Sieg“, sei der Derby-Triumph, jubelte Benjamin Zellmer. Und Bullacher schwärmte: „Die letzten drei Begegnungen gingen an die VTZ. Darunter haben wir richtig gelitten. Der Sieg bedeutet den Spielern und dem Verein die Welt.“ Trotz des Traumstartes mit sechs Siegen zum Auftakt will der Trainer von der Meisterschaft nichts wissen. „Das Wort nimmt hier niemand in den Mund. Wir können oben mitspielen, aber einen Topfavoriten gibt es nicht“, sagte Bullacher. „Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Zu was das reicht, werden wir sehen“, ergänzte Zellmer zurückhaltend.
Bei der VTZ Saarpfalz will man den Blick nach der Derby-Pleite indes nach vorne richten. „Das tut heute mehr weh als jede andere Niederlage. Aber wir haben alles in die Waagschale geworfen, können morgen in den Spiegel schauen“, sagte Mokris. „Es werden noch 48 Punkte vergeben. Die Saison ist für uns noch lange nicht zu Ende.“ Das klingt fast, als dürften sich die Zweibrücker auf ein ähnlich packendes Rückspiel freuen.